Häufig wird übersehen, dass ein Vertragsverhältnis nicht allein durch den Text geregelt wird, den die Parteien (möglicherweise) vereinbart haben, sondern dass das Geschäft auf der Grundlage des Verhaltens der Vertragsparteien vor und nach dem Abschluss auszulegen ist und dass dieses Verhalten durch die in der Handelssphäre, in der die Vertragsparteien tätig sind, geltenden Sitten und Gebräuche ergänzt werden kann.

Der Gegenstand der Vertragsintegration wird natürlich sowohl durch das Wiener Übereinkommen (CISG) als auch durch das Bürgerliche Gesetzbuch geregelt, wobei die Unterschiede gewiss nicht unerheblich sind; die Entscheidung, ob das Übereinkommen auf eine bestimmte Beziehung anzuwenden ist oder nicht, hat ziemlich bedeutende praktische Auswirkungen, die im Folgenden kurz analysiert werden.

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1. Wiener Übereinkommen

Artikel 9 des Wiener Übereinkommens besagt Folgendes:

"Die Parteien sind an die Gepflogenheiten [Praktiken], die sie vereinbart haben, und an die zwischen ihnen bestehenden Bräuche [Gepflogenheiten] gebunden.

Sofern die Parteien nichts anderes vereinbart haben, wird davon ausgegangen, dass sie sich in dem Vertrag und bei seiner Abfassung stillschweigend auf eine Gepflogenheit berufen haben, die ihnen bekannt war oder bekannt sein musste und die im internationalen Handel weithin bekannt ist und von den Parteien bei Verträgen der gleichen Art in dem betreffenden Gewerbe regelmäßig beachtet wird."

Nach dieser Bestimmung sind die Parteien eines internationalen Kaufvertrags sowohl an die Zollvorschriften ("Praktiken"), als auch auf Praktiken ("Verwendungen"), die die Vertragsparteien (ausdrücklich oder stillschweigend)[1] zwischen ihnen hergestellt. Obwohl das Übereinkommen keine Definition der Begriffe Verwendungen e Praktikenkönnen sie wie folgt übersetzt werden:

  • "Praktiken"mit den individuellen Gepflogenheiten, d.h. der Handelspraxis[2] die zwischen den Vertragspartnern in ihren früheren vertraglichen Beziehungen begründet wurden;[3]
  • "Verwendungen", wobei unter ausgehandelten Gepflogenheiten ein Verhalten zu verstehen ist, das normalerweise in einem bestimmten Wirtschaftsbereich praktiziert wird, in dem Glauben, dass es sich um ein verbindliches Verhalten handelt.

Nach Art. 9 Abs. 1 CISCG sind sowohl die "Praktiken", dass die "Verwendungen" haben nicht nur Auslegungswert, sondern sind sogar als integraler Bestandteil des Vertragsverhältnisses zu betrachten, wenn auch unter bestimmten Einschränkungen und Bedingungen, die im Folgenden analysiert werden. Bevor wir dies tun, sollten wir der Klarheit halber einige "Praktiken", die zwischen den Parteien als anwendbar gelten:

  • die Verpflichtung des Verkäufers zur unverzüglichen Lieferung von Ersatzteilen an den Käufer, die sich aus der zwischen ihnen bestehenden Praxis ergab;[4]
  • wurde entschieden, dass sich ein Verkäufer nicht auf die Vorschrift des Artikels 18 CISG berufen kann, wonach Schweigen nicht als Annahme gilt, da die Parteien eine interne Praxis eingeführt hatten, wonach der Verkäufer die Bestellungen des Käufers ausführt, ohne dass es einer ausdrücklichen Annahme bedarf;[5]
  • in einem anderen Fall wurde, ebenfalls zum Zweck der Mängelrüge, entschieden, dass der Käufer aufgrund einer im Laufe der Zeit eingeführten Praxis an eine bestimmte Art der Prüfung der gelieferten Waren gebunden ist.

Aber wann sind solche Praktiken?

Zunächst muss geklärt werden, ob tatsächlich eine "Beziehung" zwischen den Parteien zustande gekommen ist.Praxis"Dazu ist es erforderlich, dass die Partikel so häufig und über einen so langen Zeitraum hinweg durchgeführt wurden, dass derjenige, der sich darauf beruft, in gutem Glauben davon ausgehen konnte, dass sie über einen längeren Zeitraum hinweg aufrechterhalten werden würden.[6]

Sobald dieses "vorläufige" Element festgestellt wurde, ist in der Tat zu prüfen, ob es vertragliche Bestimmungen zwischen den Parteien gibt, die ihre Anwendbarkeit ausschließen, oder ob es vertragliche Vereinbarungen gibt, die tatsächlich im Widerspruch zur Richtlinie stehen. Praxis die angeblich zwischen den Vertragsparteien vereinbart wurde.

In der Tat, auch wenn es sich um eine rechtswissenschaftliche Orientierung handelt[7] Die Sitten und Gebräuche würden sogar von den Bestimmungen des Übereinkommens abweichen, wenn die Parteien ihre Anwendung ausgeschlossen oder Klauseln eingefügt haben, die ihnen tatsächlich zuwiderlaufen; die ausgehandelten Vereinbarungen hätten Vorrang vor den Sitten und Gebräuchen. Dieser Grundsatz ergibt sich aus Artikel 6 CISG, wonach der von den Vertragsparteien geäußerte Wille die Hauptquelle für die Rechte und Pflichten aus den nach dem CISG geschlossenen Verträgen ist.[8]

Danach obliegt es der Partei, die ihre Existenz behauptet, die erforderlichen Elemente nachzuweisen,[9] Dies hat zur Folge, dass im Falle der Nichtbeachtung die Gewohnheiten und Gebräuche für die Parteien nicht bindend sind.

Sobald ihre Existenz im Rahmen des Übereinkommens nachgewiesen ist, muss ihre Rechtmäßigkeit nach dem jeweils geltenden innerstaatlichen Recht beurteilt werden, so dass die Gültigkeit von Bräuchen nicht in den Anwendungsbereich des Übereinkommens fällt, das lediglich die Kriterien für ihre Anwendbarkeit regelt.[10]

Wie bei der gewerblichen Nutzung (Verwendungen), bei denen es sich um die in einem bestimmten kaufmännischen Umfeld üblichen Gepflogenheiten handelt, sind die Parteien gemäß Art. 9(2) auch ohne ausdrückliche Umsetzungsvereinbarung an diese gebunden, sofern sie "bekannt waren oder hätten bekannt sein müssen"..

In der Regel sollten internationale Handelsbräuche nur dann als verbindlich angesehen werden, wenn sie den Parteien allgemein bekannt sind oder im internationalen Handel regelmäßig beachtet werden.[11] Es ist auch zu beachten, dass ein Brauch nicht international sein muss, um verbindlich zu sein, sondern dass örtliche Gepflogenheiten, die z. B. an Börsen, auf Messen oder in Lagern verwendet werden, ebenfalls auf das Verhältnis anwendbar sein können, sofern sie auch bei Geschäften mit ausländischen Vertragspartnern regelmäßig angewendet werden.[12]

In einer Entscheidung wurde sogar festgestellt, dass die Verwendungen sind automatisch in jede Vereinbarung, die dem Übereinkommen unterliegt, einbezogen, sofern sie nicht von den Parteien ausdrücklich ausgeschlossen werden.[13]

Auch für die Verwendungen, es gilt der Grundsatz, dass sie (gegebenenfalls) von den davon abweichenden Bestimmungen des Übereinkommens abweichen, nicht aber von entgegenstehenden vertraglichen Vereinbarungen, wobei die Vertragsautonomie die primäre Quelle der Rechte und Pflichten der Parteien ist.

Hinsichtlich der Beweislast wird festgestellt, dass es keinen Unterschied in der Verteilung der Beweislast nach Art. 9 Abs. 1 und 2 gibt, da die Partei, die das Bestehen eines Verwendungen o Praktiken verbindlich ist, muss sie dennoch die in ihr geforderten Elemente nachweisen.[14]


2. Bürgerliches Gesetzbuch

Weniger geradlinig und deutlich komplexer ist die zivilrechtliche Regelung der Sitten und Gebräuche, die in verschiedene Kategorien eingeteilt werden:[15]

  • Regulatorische Verwendungendie in den Artikeln 1 und 8 des Lexikons geregelt sind. Dabei handelt es sich um alle ungeschriebenen Regeln, die in einem bestimmten sozialen Umfeld im Laufe der Zeit konsequent als rechtsverbindliche Regeln eingehalten werden.[16] Diese Gepflogenheiten gelten für Angelegenheiten, die nicht durch Gesetze oder Verordnungen geregelt sind, oder in dem Umfang, in dem sie darin erwähnt werden.
  • Vertragliche Nutzungen, Verhandlungen oder Gebrauchsklauseln im Sinne von Art. 1340 des Zivilgesetzbuches. Darunter sind die Gepflogenheiten zu verstehen, die bei Vertragsabschlüssen an einem bestimmten Ort oder in einem bestimmten Wirtschaftszweig üblicherweise und durchgängig beobachtet werden. Solche Verwendungen können gleichgesetzt werden mit "Verwendungen', auf die im Wiener Übereinkommen Bezug genommen wird.
  • Einzelne Anwendungen, sind die Gepflogenheiten, die sich in den Beziehungen zwischen bestimmten Parteien herausgebildet haben und die für die Auslegung des Vertrages gemäß Artikel 1362 Absatz 2 des Zivilgesetzbuches (gleichbedeutend mit dem "Praktiken"des CISC).

Während ich die Unterscheidung zwischen regulatorische Zwecke Für die Zwecke dieses Artikels kann jedoch vereinfachend festgestellt werden, dass die gesetzlichen Usancen immer dann anwendbar sind, wenn das Gesetz auf sie verweist (z.B. beim Kauf, Art. 1498, Abs. 2 des Zivilgesetzbuches über die Art und Weise der Zahlung des Preises), oder wenn es Dinge gibt, die im Gesetz selbst nicht geregelt sind, und sie in diesem Fall eine integrative Funktion haben (Usancen praeter legem).

Die ausgehandelte Nutzungen sind hingegen allgemeine Geschäftspraktiken, die in den Vertrag aufgenommen werden sollen, wenn nicht erkennbar ist, dass sie von den Parteien nicht gewollt waren (Art. 1340 Zivilgesetzbuch).[17]  Solche Usancen können beispielsweise die Variabilität der Menge oder der Qualität der Ware innerhalb bestimmter Toleranzgrenzen oder die Verpflichtung zur Rückgabe der Behälter der gekauften und verkauften Waren oder die mögliche Anerkennung einer Erfüllungsgarantie vorsehen; im internationalen Bereich gelten die einheitlichen Regeln und Usancen der Internationalen Handelskammer auf dem Gebiet der Akkreditive als Verhandlungsusancen.[18]

Außerdem gelten die ausgehandelten (oder vertraglichen) Gepflogenheiten im Gegensatz zu den gesetzlichen Gepflogenheiten, ohne dass ein gesetzlicher Verweis erforderlich ist: Das Gesetz enthält nämlich in Art. 1374 des Zivilgesetzbuchs (Integration des Vertrags) einen allgemeinen Verweis auf die Gepflogenheiten als Quelle für die Integration des Vertrags, da die Parteien an das gebunden sind, was durch die Vereinbarung und alle sich daraus ergebenden Folgen nach dem Gesetz oder, in Ermangelung dessen, nach den Gepflogenheiten bestimmt ist.

Ein erster und wichtiger Unterschied besteht darin, dass die verhandelte Verwendung (im Gegensatz zu Verwendungen die immer dann anwendbar sind, wenn sie den Parteien zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses bekannt waren oder bekannt sein konnten) ist sich die Rechtsprechung im Zivilrecht nicht einig, ob sie nur aufgrund einer ausdrücklichen oder stillschweigenden Erklärung der Parteien als in den Vertrag einbezogen gelten können,[19] oder ob der Gebrauch die Parteien verpflichtet, auch wenn sie ihn nicht beachten.[20]  Es kann jedoch vernünftigerweise argumentiert werden, dass solche Gepflogenheiten auch in Abweichung von (natürlich nicht zwingenden) gesetzlichen Bestimmungen wirksam sind, dass sie aber im Falle eines gegenteiligen, vereinbarten Willens der Parteien, auch wenn er stillschweigend zum Ausdruck kommt, ausgeschlossen werden müssen.[21]

Die ausgehandelte Nutzung muss auch unterschieden werden von einzelne Anwendungend.h. die in den Beziehungen zwischen bestimmten Vertragspartnern etablierte Praxis (die Praktiken des CISG).

Es ist sehr wichtig zu beachten, dass im Gegensatz zu den PraktikenDie internen Gepflogenheiten der Vertragsparteien sind für die Auslegung des Vertrages nur dann von Bedeutung, wenn es sich um das Gesamtverhalten der Parteien handelt (Art. 1362 Abs. 2 CC),[22] aber nicht auch seinen Inhalt gemäß Artikel 1340 und Artikel 1374 des Zivilgesetzbuchs.[23]

Daraus folgt, dass im Gegensatz zu Art. 9 CISC die zwischen den Parteien festgestellte Verhandlungspraxis nicht den Wert einer eigentlichen Vertragsklausel haben kann, die integraler Bestandteil der Beziehung ist, sondern nur als ein Element zur Auslegung des Vertrags herangezogen werden kann. Der Unterschied ist nicht zu vernachlässigen.

Eine Möglichkeit, dennoch zu versuchen, das gleiche Ergebnis zu erzielen, d. h. eine bestimmte individuelle Praxis in die Beziehung zu integrieren, wäre der Rückgriff auf den Grundsatz der Billigkeit, der in Artikel 1374 des Zivilgesetzbuchs wie folgt festgelegt ist:

"Der Vertrag bindet die Parteien nicht nur an das, was in ihm ausgedrückt ist, sondern auch an alle Folgen, die sich nach dem Gesetz oder, in Ermangelung eines solchen, nach den Gepflogenheiten und der Billigkeit aus ihm ergeben. verwendet und dieEigenkapital."

Unter Anwendung dieses Grundsatzes in Verbindung mit dem Grundsatz der Erfüllung des Vertrages nach Treu und Glauben gemäß Art. 1375 des Zivilgesetzbuches könnte man möglicherweise versuchen zu argumentieren, dass das fortgesetzte und wiederholte Verhalten einer Partei bei der anderen die Erwartung geweckt hat, dass sich dies wiederholen würde.

Sicherlich wäre eine solche Lösung immer noch sehr viel komplexer und schwieriger umzusetzen, als wenn das Wiener Übereinkommen auf die Beziehung anwendbar wäre, da die Bestimmungen von Artikel 9 in dieser Hinsicht sicherlich sehr viel klarer und einfacher auszulegen sind.


[1] Oberster Gerichsthoff 21. März 2000.

[2] Siehe DE FRANCHIS, Dizionario Giuridico Itailano-Inglese, Giuffrè Editore,

[3] BUSANI, Der internationale Kaufvertrag (Sale and Purchase Agreement), S. 97 ff., 2015, Giappichelli

[4] Schiedsgericht der Internationalen Handelskammer, Frankreich, Dezember 1997, Nr. 8817,

[5] Cour d'appel de Paris, Frankreich, 10. September 2003

[6] UNCITRAL: Digest of Case Law on the United Nations Convention on Contracts for the International Sale of Goods-2016 UNITED NATIONS 2016 Edition.

[7] Rechtssache CLOUT Nr. 313, Cour d'appel de Grenoble, Frankreich, 21.10.1999.

[8] Siehe Hof van Beroep Antwerpen (Belgien), 24. April 2006; BUSANI, op. cit.

[9] Oberster Gerichtshof, Österreich, 21. März 2000.

[10] Oberster Gerichtshof, Österreich, 22. Oktober 2001.

[11] UNCITRAL: Digest of Case Law on the United Nations Convention on Contracts for the International Sale of Goods-2016 UNITED NATIONS 2016 Edition.

[12] Oberlandesgericht Graz, Österreich, 9. November 1995.

[13] U.S. District Court, Southern District Court of New York, 10. Mai 2002.

[14] UNICITRA Auszug. Op. cit.

[15] Der Einfachheit halber werden in diesem Artikel keine weiteren Kategorien, wie z. B. die interpretative Nutzung oder die gewerbliche Nutzung, aufgeführt.

[16] BIANCA, Zivilrecht, Der Vertrag, 1987, Giuffrè.

[17] BIANCA, op. cit.

[18] Cass. Civ. 2009, Nr. 21833

[19] Cass. Civ. 2010 no. 8342.

[20] Cass. Civ. 2007 no. 5135.

[21] Cass. Civ. 2007 no. 5135; Cass. Civ. 1988 no. 76.

[22] CIAN - TRABUCCHI, Kommentar zum Zivilgesetzbuch, Art. 1340, CEDAM.

[23] Cass. Civ. 1988 no. 3220.